Wie wird das Prüfen für Leichte Sprache vergütet?

Foto: Prüfgruppe

Wie finde ich eine Prüfgruppe? Und wie bezahle ich sie?

Praktische Tipps für freiberufliche Übersetzer:innen

Bisher waren Dienstleistende für Leichte Sprache häufig an einen Träger der freien Wohlfahrtspflege angebunden. Diese Büros haben meist das große Glück, über zahlreiche Mitarbeitende mit Lernschwierigkeiten zu verfügen. Der Markt der Leichten Sprache verändert sich aber: Mehr und mehr kommen freiberufliche Übersetzer:innen dazu. Diese haben es deutlich schwerer, eine Prüfgruppe zu finden.

Die meisten kennen in ihrem Umfeld niemanden mit einer Lernschwierigkeit. Dies hängt mit den Sonderwelten zusammen, in denen Menschen mit Behinderung in Deutschland leben: als Kind auf der Förderschule, als Erwachsener in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM). Ja, selbst in der Freizeit gibt es oft kaum Berührungspunkte mit Menschen ohne Behinderung – leider. Statt eigener Wohnung leben viele in Einrichtungen.

Für freiberufliche Übersetzer:Innen stellt sich also die Frage: Wie finde ich eine Prüfgruppe? Und wie bezahle ich diese für ihre Tätigkeit?

2 Möglichkeiten, Prüfer:innen zu finden

1: Ich suche mir eine Prüfgruppe

Mögliche Ansprechpartner_innen:

  • Werkstätten für Menschen mit Behinderung
  • Wohneinrichtungen
  • Höfe (Wohnen & Arbeiten)
  • Soziale Vereine

2: Ich beauftrage eine Prüfgruppe

Viele Büros bieten das Prüfen als Dienstleistung an. Zum Beispiel (soweit ich weiß):

Wie bezahle ich die Prüfer:innen?

Über eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung

Viele Prüfer:innen sind in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM) angestellt. Sie erhalten für ihre Beschäftigung nicht den Mindestlohn, sondern zwischen 80 und 350 Euro „Werkstattlohn“. Da das nicht zum Leben reicht, bekommen sie meist aufstockende Sozialleistungen. Das bedeutet: Ein zusätzliches Einkommen durch das Prüfen würde mit den Leistungen verrechnet werden. Die Prüfer:Innen hätten davon nichts.

Oft ist das Prüfen über die Arbeitgeberin der Prüfer:innen organisiert, die WfbM. Intern läuft es zum Beispiel als arbeitsbegleitende Maßnahme. Diese dienen laut SGB IX der „Erhaltung und Verbesserung der im Berufsbildungsbereich erworbenen Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit“ (Art. 2, Abs. 2). Für Übersetzende heißt das: Bezahlt wird die Werkstatt, nicht die Prüfenden. Wie hoch die Vergütung ausfällt, ist Verhandlungssache.

Über eine Aufwandsentschädigung

Alternativ organisiert man das Prüfen als Freizeitangebot (bspw. über eine Wohneinrichtung). Das Problem: Beschäftigte einer WfbM dürfen nur eine bestimmte Summe dazuverdienen. Wie viel, prüft auf Antrag das Sozialamt. Alles, was über diese Summe hinaus geht, würde mit den Sozialleistungen verrechnet werden und nicht beim Prüfenden ankommen.

Zudem dürfen Freiberufler:Innen nur steuerpflichtige Aufwandsentschädigungen zahlen. Da weder der Werkstattlohn noch die aufstockenden Sozialleistungen versteuert werden, bedeutet das im schlimmsten Fall: Man bringt die Prüfer:innen in die Bredouille, eine Steuererklärung machen zu müssen.

Über eine ordentliche Anstellung

Eine Zwischenlösung ist ein Außenarbeitsplatz. Hierbei ist der Prüfende weiter in der WfbM beschäftigt, arbeitet aber in einem regulären Betrieb – zum Beispiel in einem Büro für Leichte Sprache. Der Hintergrund: Die WfbM sollen ihre Beschäftigten, wenn möglich, zu einer Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt verhelfen. Über einen Außenarbeitsplatz sollen sich die Menschen an eine Tätigkeit außerhalb der Werkstatt herantasten. Das Dilemma: Die Werkstätten müssen wirtschaftlich arbeiten. Dafür brauchen sie Beschäftigte, die produzieren. Gleichzeitig sollen sie sich bemühen, die Leistungsstärksten loszuwerden. Kein Wunder, dass der Anteil der Beschäftigten von WfbM, die an den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden, gering ist.
Zurück zum Thema: Die meisten Werkstätten verlangen, dass ein Außenarbeitsplatz zumindest in Teilzeit ausgeübt wird. Mir ist aber eine freiberufliche Übersetzerin bekannt, die sich eine Beschäftigte einer WfbM bei Bedarf für Schulungen bei ihrem Arbeitgeber „ausleiht“. Sie zahlt dafür einen festen Satz, offiziell läuft es ebenfalls als Außenarbeitsplatz.

Diese Form ist für freiberufliche Übersetzer:innen ideal. Denn selbst eine Prüf-Tätigkeit in Teilzeit birgt Herausforderungen: Das Prüfen erfordert hohe Konzentration. Länger als 60-90 Minuten kann kaum am Stück geprüft werden. Die Arbeitszeit kann also nicht ausschließlich mit Prüfen verbracht werden. Möglich sind zusätzliche Aufgaben wie die Beteiligung am Erstellungsprozess der Texte, Bürotätigkeiten oder Tandemschulungen (also inklusive Schulungen in und über Leichte Sprache, die ein Übersetzender und ein Prüfender gemeinsam durchführen).

Vorteile einer inklusiven Bürogemeinschaft

Je umfangreicher und direkter die Zusammenarbeit, umso mehr profitieren beide Seiten. Es ist ständig jemanden zur Hand, um auszuloten, ob Begriffe oder Formulierungen verstanden werden. Das ermöglicht außerdem, ein besseres Gefühl für die sprachlichen und inhaltlichen Bedürfnisse der Leserschaft der eigenen Texte zu erlangen.

Praktikabler als jemanden anzustellen ist für freiberuflich tätige sicher, sich eine Prüfgruppe über eine WfbM oder eine Wohneinrichtung aufzubauen. Ich freue mich aber über alle, die andere Wege wagen …