Plötzlich stand sie vor diesem kleinen Gemüseladen. Die Baustelle in der Marktstraße hatte sie von ihrem täglichen Weg abgebracht. Sie hatte den Nachmittag frei, die Sonne stand fahl am Himmel, aber immerhin regnete es nicht. Leicht fröstelnd drückte Ines die schwere Ladentür auf. Eine Glocke klingelte leise.

War das Licht plötzlich wärmer? Es roch nach Naturholz, nach neu, nach Bioladen. Auf dem breiten Tresen standen große Gläser mit eingemachten Früchten. Daneben, Äpfel und Orangen, Auberginen und Zucchinis, liebevoll aufgereiht wie in einem frisch geschenkten Kaufmannsladen für Kinder. Da trat jemand durch eine Tür neben dem Tresen. Er trug vor dem Bauch eine große Kiste mit Kürbissen. Er lehnte nach hinten, um das Gewicht auszugleichen.

Ines bemerkte die Venen an seinen Unterarmen, die schwieligen Hände. Arbeiterhände. Und doch feingliedrig … und behaart. Ines ertappte sich bei dem Gedanken, wie diese Arme sie umfassten. So fest wie diese Kiste. Sie wurde rot. Schnell schaute sie weg, und dann doch gleich wieder hin. Diesmal in sein Gesicht.

Was lächelte der so verschmitzt? Hatte er etwa ihre Gedanken gelesen? Oh man, war der süß. Nicht mehr ganz jung, vielleicht 10 Jahre älter als Ines schätzte sie. Aber das Lächeln eines Jungen. Und die Augen, so wach und ansteckend fröhlich. Sie bemerkte eine kleine Narbe, die seine rechte, buschige Braue teilte. Was ihm da wohl passiert war?

„Darf ich kurz vorbei?“, fragte er, immer noch lächelnd. „Die Kiste reißt mir gleich die Arme aus“.

„Ah ja, sorry!“, antwortete Ines verlegen. Schnell trat sie einen Schritt zur Seite. Wieso hatte sie das nicht gemerkt? Immer schaute sie zu lange, zu direkt, dachte sie ärgerlich.

Viel Platz war nicht in dem kleinen Laden. Ganz schön nah ging er an ihr vorbei. So nah, dass sie seinen Geruch wahrnahm. Ein Geruch nach Mann, nach Wärme und irgendwie auch nach Orangen. Es roch so vertraut. So nah und … erregend. In ihrem Bauch kribbelte es.

Info zum Text

Der Text ist eine Schreibübung aus einer Weiterbildung in erotischer Literatur, die ich im Frühjahr 2024 bei Alexandra Lüthen belegt habe. Es war eine großartige Erfahrung, die noch immer in mir nachwirkt und weit über das Schreiben hinaus ging. Alexandra hat mich dazu gebracht, die Sinnlichkeit des Alltags zu erspüren. Wach zu sein für Empfindungen – der Sand unter den Füßen, der Geruch einer Orange, ihr Saft, der mir über die Finger läuft. Stück für Stück und mit viel Didaktik hat sie uns dann an das Beschreiben von Erotik herangeführt. Ich war jedes Mal beeindruckt über die Ergebnisse unserer Gruppe.

Sie selbt beschreibt es so:

„Jenseits von da unten und Dingsda nehme ich dich mit auf eine Reise zu deiner eigenen Sprache für intime Begegnungen, nackte Tatsachen, schamlose Begebenheiten und Tabubrüche, die bisher deiner Löschtaste zum Opfer fielen.
So über Sex und Erotik zu schreiben, dass sich bei Lesenden der Raum für die eigene Lust öffnet, ist eine Kunst. Ich bringe sie dir bei“.

Ich hatte das Gefühl, etwas für mich tun zu müssen. Etwas, was nicht direkt beruflichen Nutzen hat, sondern einfach nur mir guttut. Wenn du das auch möchtest: Alexandra bietet den Kurs „hautnah und körperwarm“ regelmäßig an. Schreib ihr einfach: post@goldloesung.com.