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Vorsichtig streckt Georg den Arm am Duschvorhang vorbei. Er tastet auf der Ablage unter dem Spiegel nach seiner Brille. Da ist sie! Doch Mist, er hat sie heruntergestoßen. Wäre er nicht so erfüllt vor Glück, so erfüllt von den Bildern der letzten Nacht, er würde sich jetzt grün ärgern über seine Ungeschicklichkeit. Denn ohne seine Sehhilfe fühlt er sich hilflos.

Was tun? Auf dem Boden herumkriechen und hilflos um sich tasten? Wie ein Kind beim Topfschlagen? So würdelos. Zumal ohne unterstützende „Warm, warm, heiß!“-Rufe. Georg muss lächeln über seine Gedanken. Er, alter Mann, beim Topfschlagen, mit seinem schlimmen Knie und den Schmerzen im Kreuz. Absurd. Doch das gleiche hätte er noch bis gestern von der Vorstellung gedacht: Er eine ganze Nacht beim Liebesspiel? In seinem Alter? Verrückt. Er grinst. In seinem Penis zuckt es – schon wieder. Was hat Iris bloß mit mir angestellt? Ich bin doch kein Teenager, denkt Georg.

Die Kälte kriecht an seinem wehen Rücken empor. Die Realität ist zurück: Ein nasser, faltiger Mann in der Dusche. Würdelos. Er muss Iris rufen, es hilft nichts. Doch es ist ihm peinlich. Noch möchte er gefallen, möchte ein bisschen jünger, ein bisschen agiler wirken. Klar, auch an ihr sind die Jahre nicht spurlos vorbeigegangen.

Aber sie ist so schön, so schön, wie ihre langen, weißen Haare sich über das weiße Kopfkissen ergießen. So schön, mit ihren tausend Muttermalen, die er mit den Fingern zu Sternenbildern verbindet. Ihre langen, schmalen Finger in seinem Brusthaar. Ihre Finger an seinem Bauch, um seinen Bauchnabel herum und dann langsam tiefer …

Stop. Ich muss hier raus, sonst verkühl´ ich mich endgültig. „Iris, könntest du mal kommen?“, ruft Georg.

Info zum Text

Der Text ist eine Schreibübung aus einer Schulung in erotischer Literatur, die ich im Frühjahr 2024 bei Alexandra Lüthen belegt habe. Es war eine großartige Erfahrung, die noch immer nachwirkt und weit über das Schreiben hinaus ging. Alexandra hat mich dazu gebracht, die Sinnlichkeit des Alltags zu erspüren. Wach zu sein für Empfindungen – der Sand unter den Füßen, der Geruch einer Orange und ihr Saft, der mir über die Finger läuft. Stück für Stück hat sie uns dann an die Beschreiben von Erotik herangeführt.

Sie selbt beschreibt es so:

„Jenseits von da unten und Dingsda nehme ich dich mit auf eine Reise zu deiner eigenen Sprache für intime Begegnungen, nackte Tatsachen, schamlose Begebenheiten und Tabubrüche, die bisher deiner Löschtaste zum Opfer fielen.
So über Sex und Erotik zu schreiben, dass sich bei Lesenden der Raum für die eigene Lust öffnet, ist eine Kunst. Ich bringe sie dir bei“.

Ich hatte das Gefühl, etwas für mich tun zu müssen. Etwas, was nicht direkt beruflichen Nutzen hat, sondern einfach nur mir guttut. Wenn du das auch möchtest: Alexandra bietet den Kurs „hautnah und körperwarm“ regelmäßig an. Schreib ihr einfach: post@goldloesung.com.

Und nun noch einmal zum Text über Georg und Iris: Ich muss zugeben, dass mir die Geschichte nicht so richtig erotisch gelungen ist. Zu viel Energie hat mich gekostet, mich in einen älteren Menschen hineinzuversetzen. Aber ich habe ganz viel Zärtlichkeit gespürt … Ich bin gespannt, wie sie auf dich wirkt!