„Emotional ist auch, wenn man nichts fühlt“ – Einblicke in meine Arbeit als Verstehensassistenz

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Vielleicht hast du schon erlebt, wie bei einer Veranstaltung das Gesagte simultan in Leichte Sprache gedolmetscht wird. Doch was genau ich tue, wenn ich als „Verstehensassistenz“ im Einsatz bin, wissen die wenigsten. Dabei ist das Feedback immer sehr positiv. Zeit also, dass diese Form der Unterstützung bekannter wird.

Verständlichkeit ist oft schwerer als gedacht

Bei inklusiven Formaten ist oft der Anspruch: Alle sollen verständlich sprechen. Manchen gelingt das gut – anderen weniger. Denn: Wer selten mit Lai*innen über das eigene Fachgebiet spricht, unterschätzt oft, wie komplex die eigene Sprache wirkt. Und wer die Kunst der geschliffenen Worte liebt, tut sich mit der Verständlichkeit manchmal schwer.

Wie ich unterstütze – und warum es wirkt

Genau hier komme ich ins Spiel – als wachsame Instanz, die behutsam unterbricht, erklärt oder zusammenfasst. Manchmal ist es nur ein Wort. Oder der Sinn ist zu abstrakt, das Tempo zu schnell, die Infos zu dicht. Vom ersten Einwurf werden die meisten noch überrascht. Doch schnell beginnen sie, Worte bewusster zu wählen und ihre Sprechweise anzupassen. Genau hier liegt die Stärke der Verstehensassistenz.

Das Zitat „Emotional ist auch, wenn man nichts fühlt“ stammt übrigens auch von einem Einsatz. Ich bemühte mich um eine Erklärung:

„Emotion“ bedeutet „Gefühl“. „Emotional“ heißt also: „Ich fühle etwas“. Was bedeutet nun „Emotional ist es auch dann, wenn ich nichts fühle?“ Das verstehe ich leider selbst nicht.

Da musste der Redner selbst schmunzeln und noch einmal ansetzen. So hatte ich den Ball erst einmal zurückgespielt. Das Beispiel zeigt: Ich verlange den Redner*innen einiges ab. Denn Leichte Sprache kann entlarvend sein. Die Botschaft kann sich oft nicht mehr hinter schönen Worten verstecken.

Für mich ist es ein ständiges Abwägen – immer nach dem Prinzip „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Schließlich falle ich den Redner*innen jedes Mal ins Wort. Oft erschließt sich der Sinn einzelner Begriffe auch durch den Kontext. Und manchmal ist der Inhalt vielleicht gar nicht so wichtig und meine Erklärung oder die Reaktion auf meine Unterbrechung würden zu viel Raum einnehmen. Manchmal merke ich vielleicht auch eine gewisse Ermüdung der Zuhörenden, wenn wir eigentlich schon über die Zeit sind und alle die Kaffeepause herbeisehnen.

Ich höre also genau hin: Wie verständlich ist das Gesagte? Was ist die Absicht dahinter? Ich habe aber auch alle anderen im Blick und schaue: Wie ist die Stimmung im Raum? Wer möchte sich vielleicht einbringen, kommt aber durch andere nicht zu Wort, die sich schnell und komplex ausdrücken?

Abstimmung vorab – damit alles rund läuft

Damit Redner*innen nicht aus dem Takt kommen, bespreche ich vorher genau meine Rolle. Besonders, wenn wir noch nicht zusammengearbeitet haben. Wir besprechen auch, wo ich mich positioniere. Ich brauche Sicht auf Redner*innen und Publikum, und sollte auch selbst für alle sichtbar sein. Hilfreich ist außerdem, wenn die Moderation mich zu Beginn den anderen Teilnehmenden kurz vorstellt und daran erinnert, dass alle möglichst verständlich sprechen sollen.

Wann ist Verstehensassistenz sinnvoll?

Ideal ist Verstehensassistenz in Workshops und Arbeitsgruppen – also bei Formaten, bei denen alle mitreden sollen. Aber auch bei Vorträgen kann sie gut funktionieren. Also immer dann, wenn alle möglichst einfach sprechen sollen.

Was mache ich eigentlich: Assistenz, Moderation – oder doch konsekutiv Dolmetschen?

Viele denken bei „Verstehensassistenz“ an eine Hilfe für einzelne Personen mit Unterstützungsbedarf. Das stimmt zum Teil: Ich schaue, wer Unterstützung braucht, und nehme vorsichtig Kontakt auf. Ich setze mich auch mal dazu, erkläre flüsternd Begriffe, lese etwas vor oder assistiere beim Schreiben.

Ich helfe auch mal dabei, dass jemand in einer Runde zu Wort kommt – vor allem, wenn andere schnell und kompliziert sprechen. Wichtig ist aber: Die Moderation bleibt bei der Gesprächsleitung. Ich sorge nur dafür, dass alle gleichberechtigt folgen können.

Wenn es sich also ergibt, arbeite ich personenzentriert. Oft bringt es aber mehr, wenn ich für die ganze Gruppe da bin – und das auch so angekündigt wird. Als Unterstützung, damit das Gespräch insgesamt verständlich bleibt. Oder vielleicht anders: Ich assistiere Menschen dabei, sich verständlich auszudrücken – damit sie auch verstanden werden. Denn Inklusion heißt ja: Aufeinander zugehen und Teilhabe möglich machen.

So muss sich niemand als Nutzer*in zu erkennen geben. Meine Nachfragen und Erklärungen ermutigen aber oft gerade Menschen mit Bedarf an Leichter Sprache, mitzureden und nachzufragen. Assistiere ich Menschen hingegen persönlich, fällt es oft leichter, mich direkt schnell etwas zu fragen – statt die Hand zu heben und vor allen zu sprechen.

Auch die roten Karten werden dann häufiger genutzt. (Zur Erklärung: Rote Leichte-Sprache-Karten signalisieren: Das habe ich gerade nicht verstanden. Leider trauen sich viele häufig nicht, sie auch zu nutzen).

Und: Nicht selten sprechen mich Menschen nach einem Einsatz an, um mir zu sagen: Ich brauche zwar keine Leichte Sprache – dein Eingreifen hat mir aber auch geholfen. Weil man ja nicht immer gleich nachfragen mag. Oder weil es Struktur gebracht hat.

Warum ist das nicht Dolmetschen?

Vielleicht hast du auch schon einmal erlebt, wie Informationen konsekutiv in Leichte Sprache gedolmetscht werden. Dabei wiederholen wir Dolmetscherinnen Redebeiträge in vereinfachter Form. Oft machen wir uns Notizen, um uns an alles zu erinnern. Auch ich habe so angefangen.

Der Unterschied ist: Konsekutiv dolmetschen heißt, Informationen vollständig zu übertragen. Bei einer Verstehensassistenz greife ich nach Bedarf ein. Ich habe erkannt: Das ist oft zielführender. Denn alles zu wiederholen, ist oft für alle anstrengend: Die einen müssen lange komplizierte Redebeiträge abwarten, die anderen hören alles doppelt. Und es dauert viel länger.

Vorteile gegenüber dem simultanen Dolmetschen in Leichte Sprache:

  • Es ist keine Dolmetsch-Technik nötig – also keine Dolmetschkabine oder Tourguide-System mit Kopfhörer und Mikro.
  • Sprecher*innen werden direkt für die eigene sprachliche Komplexität sensibilisiert.
  • Nutzer*innen stechen nicht durch Kopfhörer hervor.
  • Bei interaktiven Formaten ist die direkte Beteiligung einfacher. Denn das Dolmetschen ist immer zeitlich ein bisschen versetzt. Und: Wer selbst sprechen will, muss die Kopfhörer abnehmen, um nicht durch die eigene verdolmetschte Stimme irritiert zu werden.

Das Dolmetschen in Leichte Sprache hat sich bewährt als Methode, um mündliche Kontexte zugänglich zu machen. Oft ist aber eine Kombination sinnvoll, also eine simultane Verdolmetschung im großen Saal und eine Verstehensassistenz in interaktiven Workshops.

Planst du eine barrierefreie Veranstaltung?

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Foto: Ralf Masorat